Logos sind überbewertet
Ich glaube ja, dass es daran liegt, dass wir uns zu irgend einem Teil mit ihnen identifizieren können. Und ich glaube, dass uns das besonders leichtfällt, wenn diese Figuren menschlich sind. Wenn sie Schwächen haben und Fehler machen.
Eigentlich alle Superhelden kämpfen nicht nur mit ihren Feinden (die Feinde gehören übrigens entscheidend dazu), sondern auch mit dem Zwiespalt zwischen öffentlicher Person (also dem Image als Held) und ihrer privaten Persönlichkeit. Oft (ich würde behaupten meistens ist es dieser Zwiespalt, der die Identifikation mit den Helden erst ermöglicht.
Wenn Spiderman der tolle Held ist, Peter Parker aber mit dem Schulabschluss kämpft oder als Pizzabote scheitert, dann macht ihn dies nur liebenswerter. Und wir alle, mit unseren Alltagskämpfen, können uns darin wiederfinden.
Wenn der geniale, rationale und höchst intelligente Dr. Bruce Banner im Moment der Wut zu Hulk wird - und damit zur emotional unkontrollierten Gefahr für sich und die Welt - finden manche von uns (und ich gehöre da zugegebenermaßen dazu) sich zumindest zum Teil darin wieder.
Und auch moderne Superhelden (oder besser moderne Heldinnen) wie die gebrochene Jessica Jones sind für uns irgendwie nachvollziehbar menschlich. Wer kann nicht den tiefen Fall, die Verbitterung aber auch den Rest Hoffnung verstehen?
Jede Superheldin hat ihre "origin story", die Geschichte ihrer Herkunft. Die Geschichte, die sie uns näherbringt.
Was macht Sie (oder ihn) zu der Figur, die sie ist? Warum ist sie gebrochen? Welcher Zwiespalt wird in ihr lebendig? Was kann sie halt einfach richtig gut, was ist ihre Superkraft? Und wo versagt sie?
Perfektion, also die Superheldin ohne Makel ist langweilig. Ist nicht menschlich. Lässt uns irgendwie leer zurück. Reizt uns nicht. So wie all die perfekten Duckface-Püppchen auf Instagram. Das echte Leben sieht anders aus. Schmeckt anders, stolpert eben auch mal.
Wenn wir ehrlich zu uns sind, dann glauben wir diese perfekte Markenwelt der Werbung und der Hochglanzmagazine doch nicht. Wenn wir ehrlich zu uns sind, wünschen wir uns doch alle ein bisschen mehr "echtes Leben".
Markenbildung, oder neudeutsch "Branding" ist im besten Fall nichts weiter, als die Möglichkeit ein Symbol (analog zur Figur der Superheldin) mit Werten und Bedeutung aufzuladen.
Das ist im Grunde wenig anders als in der Sprache, in der eine Zeichenfolge wie Baum für uns nur die entsprechende Pflanze bedeutet, weil wir als Kind gelernt haben diese Zeichenfolge mit einem entsprechenden Bild in unserem Kopf zu verbinden. Und es ist übrigens ab und an ganz erhellend das Gegenüber mal zu fragen, wie der Baum aussieht, der in der Vorstellung existiert.
Nadelbaum, Laubbaum, groß, klein, eine ganz spezielle Gattung?
Eine Marke ist nichts anderes. Ein Symbol, das mit Bedeutung aufgeladen wurde.
Daher kommt "branding" übrigens ursprünglich. Im Ursprung bezeichnete dieses Wort die Praxis der Cowboys und Rancher in der Prärie die eigenen Rinder mit einem Brandzeichen zu versehen. Die Tiere konnten frei in der Wildnis grasen und man brauchte einen Weg Dein Rindvieh von meinem Rindvieh zu unterscheiden.
Und weil man Brandzeichen aus der Distanz erkennen wollte und die Möglichkeit begrenzt war was man an Formen gestalten konnte, waren es meist recht einfache Symbole.
Im Übrigen, auch die Praxis seine Sklaven mit einem Brandzeichen zu versehen, sie zu brandmarken, wurde "branding" genannt. Im Lauf der Zeit wurde der Begriff dann verallgemeinert. Aus dem Brandzeichen entstanden oft die ersten Marken der Ranches und der Begriff wandelte sich zu dem, was er heute besagt. Markenbildung.
Lass uns die beiden Aspekte zusammenbringen. Es geht auf der einen Seite um ein Symbol (oder einen Begriff) und auf der anderen Seite darum dieses mit Bedeutung aufzuladen.
Das Brandzeichen zeigt uns, dass es um einfache Wiedererkennung geht. Und um Abgrenzung von anderen Marken (Brandzeichen).
Und die Superhelden zeigen uns, dass es ihre "origin story", also ihre Herkunftsgeschichte, ist, die sie zu dem gemacht hat was sie heute sind. Also zu der Bedeutung, die in ihnen steckt. Und zu der gehören, wenn wir einen menschlichen, emotionalen Bezug herstellen wollen, auch die Fehler, die Schwächen.
Wie gesagt, Perfektion ist langweilig. Und es geht beim "storytelling" (entschuldige bitte die ganzen Anglizismen - ich weiß, dass das die Sprache der Dummen ist) auch immer darum Geschichten zu erzählen mit denen wir uns identifizieren können. Oder gerade nicht.
So will ich mich gerade nicht mit der "origin story" der Marke "Donald Trump" identifizieren. Oder den Geschichten der Marke "Nestlé". Im Gegenteil. In meiner Superheldengeschichte wären das eher die Superschurken.
Deine Geschichte soll genau die Menschen ansprechen, die Du als Kunden willst. Und ich beispielsweise möchte keine Kunden, die sich mit Trump identifizieren. Oder mit der AfD.
Wir müssen also ein Symbol mit Bedeutung aufladen. Nur welches Symbol? Was ist das perfekte Symbol für meine Marke?
Ja, das meine ich ernst. Nimm einfach irgendwas. Es spielt keine Rolle. Es ist wirklich egal, was Du nimmst. OK, fast egal.
Denn wie wir oben gelernt haben, geht es um Wiedererkennung auch auf Distanz und um Abgrenzung.
Deswegen solltest Du vielleicht nicht gerade einen angebissenen Apfel als Symbol hernehmen.
Apple ist aber tatsächlich ein sehr gutes Beispiel. Heute die wohl wertvollste Marke (oder zumindest unter den Top3), wusste in der Frühphase des Computerzeitalters erstmal fast niemand was damit anzufangen. Wieso ein bunter, angebissener Apfel. Es geht doch um Hardware und Software.
Erst mit der Zeit (und der damals erstaunlichen Qualität der Geräte und später auch viel Werbung) gewann das Symbol an Bedeutung (und an Wert). Aber es war nie das Symbol, das die Marke gemacht hat. Das Symbol war nicht mehr als ein Platzhalter. Ein Gefäß für Bedeutung.
Natürlich kann man ein Logo mit Bedeutung versehen, wenn man es erstellt. Natürlich kann man als Designer oder als Brandingspezialist von Beginn an darauf achten, dass das Logo möglichst viele Anschlussstellen für Bedeutung beinhaltet.
Nimm das "Logo" von Google. Gerade das frühe Logo. Einfach der Firmenname in bunten Lettern.
Ist es das Logo, das Tesla macht? Oder ist es Tesla, das das Logo bedeutungsvoll werden lässt?
Entscheide Dich für ein Logo. Wenn es Dir gefällt, ist es gut.
Wichtig, nein wichtiger als das Logo ist Deine Geschichte. Du bist Teil Deiner Marke. Warum willst Du Dein Produkt herstellen? Warum drängst Du auf den Markt? Sei spezifisch. Was macht Dich besonders? Wofür stehst Du?
Und wer ist Dein Gegner? Wer ist der Superschurke Deiner eigenen "origin story"?
Hast Du Helfer? Hast Du Verbündete?
Wer ist Dein Alfred? Wer Deine X-Men? Erzähle uns Ihre Geschichte. Erzähle uns, was Euch verbindet. Was Euch zu Verbündeten macht. Was sind Eure geteilten Werte?
Und schließlich kommt es darauf an, dass Du der Geschichte Taten folgen lässt. Dein Produkt, Dein Service muss erfüllen, was Deine Geschichte verspricht.
Fehler dürfen wir natürlich alle machen. Wie gesagt, Perfektion ist langweilig. Davon spreche ich auch nicht. Ich spreche davon das zu leben, zu halten was Deine Marke verspricht, was Deine Geschichte erzählt. Das ist essenziell.
Mit der Zeit, mit jedem zufriedenen Kunden, mit jeder erfolgreichen Interaktion läd sich Deine Marke auf.
Was meinst Du? Sind Logos und Marken überbewertet? Oder bin ich hier auf dem Holzweg? Schreib mir. Ich freue mich auf Deine Ansichten.